KAnEu: Anerkennung dauerhaft nicht beeinflussbarer Kosten
KAnEu: Anerkennung dauerhaft nicht beeinflussbarer Kosten
Die Transformation der deutschen Energiewirtschaft, maßgeblich geprägt durch den NEST-Prozess im Jahr 2025, führt zu einer fundamentalen Neudefinition der Spielregeln für Netzbetreiber. Im Zentrum dieser regulatorischen Neuausrichtung steht die Methode der Anreizregulierung (RAMEN) sowie die Netzentgeltfestlegung, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Investitionsanreizen, Effizienzsteigerungen und der Sicherstellung einer stabilen und bezahlbaren Energieversorgung gewährleisten soll. Ein entscheidendes Element in diesem komplexen Gefüge ist die Behandlung und Anerkennung der „Kosten für Anreizregulierung nicht beeinflussbare Kosten“ (KAnEu). Diese Kategorie von Kosten, die Netzbetreiber aufgrund externer Faktoren tragen müssen und die ihrer direkten Einflussnahme entzogen sind, erfordert eine spezifische regulatorische Behandlung, um unnötige Belastungen für Haushalte und Unternehmen zu vermeiden und gleichzeitig ein attraktives Investitionsumfeld zu erhalten [^1].
Die Rolle von KAnEu im Rahmen der Anreizregulierung
Die Anreizregulierung, wie sie in Deutschland zur Steuerung der Netzbetreiber angewendet wird, zielt darauf ab, Effizienzanreize zu setzen und Investitionen in die Netzinfrastruktur zu fördern. Kern der Anreizregulierung ist die Festlegung einer Erlösobergrenze, die den Netzbetreibern den Rahmen für ihre zulässigen Einnahmen vorgibt. Diese Erlösobergrenze wird maßgeblich durch die anerkannten Kosten des Netzbetriebs bestimmt, wobei zwischen beeinflussbaren und nicht beeinflussbaren Kosten unterschieden wird. Während beeinflussbare Kosten, insbesondere die Betriebskosten (OPEX), dem Effizienzvergleich und dem generellen sektoralen Produktivitätsfaktor (Xgen) unterliegen, um Effizienzanreize zu schaffen, bedürfen dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten einer gesonderten Betrachtung. Ihre Anerkennung ist von entscheidender Bedeutung, da sie die Netzbetreiber vor unzumutbaren Risiken schützt, die aus Kosten resultieren, die sie weder steuern noch durch effizientes Wirtschaften reduzieren können. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat im Rahmen der Konsultationen zu den RAMEN-Festlegungen Strom und Gas betont, dass die Neubegründung des Katalogs der KAnEu in diesen Festlegungen einer gerichtlichen Überprüfung standhalten muss, was die begrenzte Spielräume bei der Ausweitung des Katalogs unterstreicht [^1].
Der erweiterte Katalog der KAnEu im NEST-Prozess 2025
Der NEST-Prozess sieht eine Aktualisierung und Präzisierung des Katalogs der KAnEu vor, um den veränderten Rahmenbedingungen der Energiewende Rechnung zu tragen. Die BNetzA hat hierbei spezifische Kostenkategorien identifiziert, die künftig als dauerhaft nicht beeinflussbar anerkannt werden sollen [^1]:
1. Vorgelagerte Netzentgelte
Vorgelagerte Netzentgelte sind Entgelte, die ein nachgelagerter Netzbetreiber an einen vorgelagerten Netzbetreiber für die Nutzung dessen Netzinfrastruktur entrichtet. Für Verteilernetzbetreiber (VNB) sind dies beispielsweise die Entgelte für die Nutzung des Übertragungsnetzes. Diese Kosten sind für den nachgelagerten Netzbetreiber in der Regel nicht direkt beeinflussbar, da sie durch den vorgelagerten Netzbetreiber im Rahmen von dessen eigener Erlösobergrenze und Netzentgeltkalkulation festgelegt werden. Eine Nichtanerkennung oder eine unzureichende Berücksichtigung dieser Kosten würde zu einer doppelten Belastung der VNB führen oder ihre Refinanzierungsmöglichkeiten ungebührlich einschränken, da sie diese Kosten nicht durch eigene Effizienzanstrengungen beeinflussen können. Die Anerkennung als KAnEu stellt sicher, dass diese unvermeidbaren Kosten vollständig in die Erlösobergrenze der VNB einfließen und somit verursachungsgerecht auf die Netznutzer umgelegt werden können.
2. Kosten für Versorgungsleistungen
Die Kosten für Versorgungsleistungen umfassen diverse Aufwendungen, die im Rahmen der Sicherstellung der Energieversorgung anfallen. Dies kann beispielsweise die Beschaffung von Verlustenergie oder die Kosten für bestimmte Systemdienstleistungen betreffen, die nicht direkt dem Redispatch oder der Regelleistung zuzuordnen sind. Im Kontext der RAMEN-Festlegung ist vorgesehen, dass der bisherige Stichtag für die Anerkennung von Versorgungsleistungen zugunsten der Netzbetreiber entfällt [^1]. Diese Anpassung ist von Bedeutung, da sie den Netzbetreibern mehr Flexibilität bei der Anerkennung dieser Kosten gewährt und die administrativen Hürden reduziert. Die Nichtbeeinflussbarkeit dieser Kosten resultiert oft aus der Notwendigkeit, bestimmte Leistungen zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit zu beziehen, deren Preise und Verfügbarkeit von externen Marktfaktoren oder regulatorischen Vorgaben abhängen, die außerhalb des Einflussbereichs des einzelnen Netzbetreibers liegen. Eine detaillierte Aufschlüsselung der Systemdienstleistungskosten, die über die Netzentgelte gewälzt werden, findet sich in [Seite 141, Abbildung 50].
3. Smart Meter Roll-out-Pflichtkostenübernahmen
Der Smart Meter Rollout, der ab Januar 2025 erheblich an Tempo gewinnt, verpflichtet die grundzuständigen Messstellenbetreiber zum Einbau intelligenter Messsysteme bei bestimmten Verbrauchergruppen und Erzeugern [^4]. Die damit verbundenen Pflichtkosten, die von den Verteilernetzbetreibern als Messstellenbetreiber getragen werden müssen, sind aufgrund gesetzlicher Vorgaben und der Notwendigkeit einer bundesweiten Umsetzung dauerhaft nicht beeinflussbar. Die Erfüllung dieser Pflicht ist essenziell für die Digitalisierung der Netze und die Ermöglichung dynamischer Stromtarife, wie sie ab 2025 verpflichtend von allen Stromversorgern anzubieten sind. Eine Anerkennung dieser Kosten als KAnEu ist daher notwendig, um die Netzbetreiber bei der Umsetzung dieser wichtigen Infrastrukturmaßnahme finanziell zu entlasten und die Refinanzierung der Investitionen sicherzustellen. Weitere Informationen zum Smart Meter Rollout finden sich in den spezifischen Ausführungen zum [Smart Meter Rollout & Messstellenbetrieb (Kapitel 4, Seite 1)].
Methodische Verankerung und regulatorische Implikationen
Die Anerkennung der KAnEu erfolgt im Rahmen der RAMEN-Festlegungen Strom und Gas, die die wesentlichen Pfeiler des künftigen Regulierungssystems zur Bestimmung zulässiger Kosten setzen [^3]. Im Gegensatz zu den Betriebskosten (OPEX), auf die der Verbraucherpreisindex (VPI) und der sektorale Produktivitätsfaktor (Xgen) angewendet werden, um eine doppelte Inflationierung der Kapitalkosten (CAPEX) zu vermeiden [^1], werden KAnEu von diesen Effizienzmechanismen ausgenommen. Dies gewährleistet, dass die Netzbetreiber für diese extern auferlegten und unvermeidbaren Kosten nicht durch Effizienzauflagen bestraft werden. Die Kapitalverzinsung wird weiterhin auf Grundlage des gewichteten durchschnittlichen Kapitalkostensatzes (WACC) ermittelt, wobei für den Gasbereich der Kapitalkostenabzug entsprechend den Sonderregelungen aus der Festlegung KANU 2.0 jährlich neu bestimmt werden soll [^1].
Die Aufnahme dieser spezifischen Kostenkategorien in den Katalog der KAnEu hat weitreichende Implikationen für die Netzbetreiber:
- Finanzielle Stabilität: Sie sichert die Refinanzierung von Kosten, die nicht durch betriebliche Effizienzmaßnahmen beeinflusst werden können, und trägt somit zur finanziellen Stabilität der Netzbetreiber bei.
- Investitionsanreize: Durch die klare Anerkennung und Abgrenzung dieser Kosten wird ein attraktives Investitionsumfeld geschaffen, das es den Netzbetreibern ermöglicht, die notwendigen Investitionen in eine zukunftsfähige Infrastruktur zu tätigen, ohne unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt zu sein. Dies ist insbesondere im Kontext der Integration Erneuerbarer Energien und der Digitalisierung der Netze von großer Bedeutung.
- Transparenz und Kostenwahrheit: Die transparente Ausweisung der KAnEu trägt zu einer höheren Kostenwahrheit bei der Netzentgeltbildung bei und ermöglicht eine differenziertere Betrachtung der Gesamtkostenstruktur.
Herausforderungen und Ausblick
Trotz der klaren Vorteile birgt die Behandlung von KAnEu auch Herausforderungen. Die BNetzA hat darauf hingewiesen, dass die Spielräume zur Ausweitung des Katalogs begrenzt sind und die Begründung dieses Katalogs in zu erwartenden Gerichtsverfahren zur RAMEN-Festlegung einer Überprüfung standhalten muss [^1]. Dies erfordert eine präzise Definition und Abgrenzung der einzelnen Kostenkategorien, um rechtliche Unsicherheiten zu minimieren.
Die Anerkennung von KAnEu ist ein wichtiger Schritt zur Schaffung eines robusten und zukunftsfähigen Regulierungsrahmens, der die spezifischen Anforderungen der Energiewende berücksichtigt. Sie ermöglicht es den Netzbetreibern, die notwendigen Aufgaben zur Integration Erneuerbarer Energien, zur Digitalisierung und zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit zu erfüllen, ohne durch unbeeinflussbare Kosten unangemessen belastet zu werden. Die weitere Entwicklung und Präzisierung der RAMEN-Festlegungen sowie die Erfahrungen aus den ersten Regulierungsperioden werden zeigen, wie sich diese neuen Regelungen in der Praxis bewähren und welche Anpassungen gegebenenfalls erforderlich sein werden, um die Balance zwischen Anreizen, Effizienz und Kostenwahrheit langfristig zu gewährleisten. Die Behandlung von KAnEu ist somit ein integraler Bestandteil des umfassenden [NEST-Prozesses: Neue Entgeltstruktur für Strom & Gas (Kapitel 1, Seite 1)] und seiner Zielsetzung, die deutsche Energiewirtschaft fit für die Herausforderungen der Transformation 2025 und darüber hinaus zu machen.
Quellenverzeichnis
[^1]: Bundesnetzagentur. (2025, 18. Juni). Konsultationen zu Festlegungsentwürfen zum zukünftigen Regulierungsrahmen sowie zu den Strom- und Gas-Netzentgeltfestlegungen starten. https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/20250618_RahmenNest.html [^3]: Bundesnetzagentur. (2025, Sommer). Zwischenstand des NEST Prozesses zum Sommer 2025. https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Beschlusskammern/GBK/Zwischenstand_Sommer_25/start.html [^4]: Bundesnetzagentur & Bundeskartellamt. (2025, 28. Februar). Monitoringbericht 2024. [./8.pdf]