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Netzentgeltkomponenten: Abrechnung der Netznutzung

Netzentgeltkomponenten: Abrechnung der Netznutzung

Die Netznutzung bildet das Rückgrat der modernen Energieversorgung und ermöglicht den Transport von Elektrizität von Erzeugern zu Verbrauchern. Ihre Abrechnung über Netzentgelte ist jedoch ein komplexes System, das im Zuge der Energiewende und der zunehmenden Dezentralisierung der Stromerzeugung einem tiefgreifenden Wandel unterliegt. Die vorliegende Untersuchung analysiert die aktuellen und zukünftigen Netzentgeltkomponenten sowie die damit verbundene Abrechnungssystematik im Kontext der sich wandelnden Anforderungen an das Stromnetz. Ziel ist es, die Funktionsweise, Herausforderungen und Reformansätze darzulegen, die eine effiziente, gerechte und zukunftsfähige Finanzierung der Netzinfrastruktur gewährleisten sollen.

Grundlagen der Netznutzung und Netzentgelte

Netzentgelte sind Gebühren, die von den Netznutzern an die Netzbetreiber für die Bereitstellung und den Betrieb der Stromnetze entrichtet werden. Sie dienen der Deckung der Kosten für den Ausbau, die Instandhaltung und den Betrieb der Übertragungs- und Verteilnetze sowie für Systemdienstleistungen, die zur Gewährleistung der Netzstabilität unerlässlich sind. Die Systematik der Netzentgelte in Deutschland ist durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und die Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) sowie die Anreizregulierungsverordnung (ARegV) maßgeblich geprägt. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) spielt dabei eine zentrale Rolle als Regulierungsbehörde, die die Methodik zur Ermittlung der Netzentgelte festlegt und deren Einhaltung überwacht [^1], [^4].

Traditionell gliedern sich Netzentgelte in einen Leistungs- und einen Arbeitspreis. Der Leistungspreis bemisst sich nach der beanspruchten Maximalleistung (kW), während der Arbeitspreis den tatsächlich entnommenen Energieverbrauch (kWh) abbildet. Hinzu kommen weitere Komponenten wie Entgelte für Messstellenbetrieb, Blindarbeit und Konzessionsabgaben. Die Komplexität des Systems steigt jedoch durch eine Vielzahl von Umlagen und Aufschlägen, die ebenfalls über die Netzentgelte erhoben werden. Hierzu zählen beispielsweise die EEG-Umlage (bis zu ihrer Abschaffung), die KWKG-Umlage und die Offshore-Netzumlage, für die unter anderem die Beschlusskammer 4 der Bundesnetzagentur zuständig ist [^2]. Diese Umlagen dienen der Finanzierung spezifischer energiepolitischer Ziele, belasten aber gleichzeitig die Netznutzer und können die Transparenz der Netzentgelte mindern.

Aktuelle Herausforderungen und Reformbedarfe

Die Transformation des Energiesystems, geprägt durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien und die zunehmende Dezentralisierung der Stromerzeugung, stellt die bestehende Netzentgeltsystematik vor erhebliche Herausforderungen. Die unidirektionale Stromflussannahme, auf der das traditionelle System basiert, ist angesichts der Vielzahl von Einspeisern – von großen Windparks bis zu privaten Photovoltaikanlagen – nicht mehr adäquat. Dies führt zu einer verstärkten Belastung der Verteilnetze und erfordert signifikante Investitionen in deren Ausbau und Digitalisierung [^5].

Eine zentrale Debatte entzündet sich an der Frage, ob und inwiefern Einspeiser von Strom Netzentgelte zahlen sollen [^4]. Bislang sind Einspeisungen in das Netz weitgehend von Netzentgelten befreit, was historisch zur Förderung erneuerbarer Energien beigetragen hat. Angesichts der steigenden Kosten für den Netzausgleich und das Engpassmanagement, die durch die volatile Einspeisung entstehen, wird jedoch die Forderung lauter, auch Erzeuger an den Netzkosten zu beteiligen. Ein Diskussionspapier der Bundesnetzagentur aus dem Mai 2025 stellt hierzu kritische Fragen zur zukünftigen Netzentgeltstruktur und beleuchtet die Notwendigkeit einer Reform, um die Kosten der Energiewende fair zu verteilen und Fehlanreize zu vermeiden [^4]. Die Bundesnetzagentur konsultiert zudem Eckpunkte zu einer neuen Umlage, die eine bundesweite Verteilung der Mehrbelastungen aus der Integration von Stromerzeugungsanlagen ermöglichen soll [^1]. Solche Maßnahmen zielen darauf ab, die regional ungleich verteilten Kosten der Energiewende solidarisch zu tragen und die Systemintegration erneuerbarer Energien zu optimieren.

Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Sektorkopplung, bei der Strom in den Wärme-, Verkehrs- und Industriesektor eindringt (siehe auch Sektorkopplung und Netzeffekte). Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Power-to-X-Anlagen erhöhen die Stromnachfrage und stellen neue Anforderungen an die Netzinfrastruktur. Gleichzeitig bieten sie jedoch auch Flexibilitätspotenziale, die zur Stabilisierung des Netzes genutzt werden könnten. Die bestehende Abrechnungssystematik ist oft nicht darauf ausgelegt, diese Flexibilität adäquat zu bepreisen oder Anreize für eine netzdienliche Nutzung zu schaffen.

Spezifische Netzentgeltkomponenten im Fokus

Die Diskussion um die Reform der Netzentgelte konzentriert sich auf mehrere spezifische Komponenten:

Umlagen und Aufschläge

Neben den bereits etablierten Umlagen wie der KWKG-Umlage oder der Offshore-Netzumlage [^2] werden fortlaufend neue Mechanismen zur Finanzierung spezifischer Aufgaben diskutiert. Die Konsultation der BNetzA zu einer neuen Umlage zur Verteilung von Mehrbelastungen aus der Integration von Stromerzeugungsanlagen ist ein Beispiel dafür [^1]. Solche Umlagen sind häufig als Cent-pro-Kilowattstunde-Aufschläge konzipiert und werden unabhängig von der tatsächlichen Netzbelastung erhoben. Dies führt zu einer pauschalen Belastung aller Verbraucher und kann insbesondere für energieintensive Unternehmen eine Wettbewerbsnachteil darstellen. Eine stärkere Differenzierung oder eine Verlagerung hin zu verursachergerechteren Modellen wird daher gefordert.

Kapazitäts- und Leistungsentgelte

Die Abbildung der Netznutzung über Kapazitäts- und Leistungsentgelte ist essenziell, da die Netzinfrastruktur primär für die Spitzenlast dimensioniert sein muss. Eine präzisere Erfassung und Bepreisung von Leistungsinanspruchnahme, insbesondere zu Zeiten hoher Netzbelastung, könnte Anreize für eine netzdienliche Steuerung des Verbrauchs schaffen. Aktuelle Debatten drehen sich um die Einführung von zeitvariablen oder sogar ortsabhängigen Netzentgelten, die die tatsächliche Belastung des Netzes besser widerspiegeln und Engpässe reduzieren könnten (siehe auch Regulierungsmechanismen im Netzbetrieb).

Sonderformen der Netznutzung

Die Bundesnetzagentur berücksichtigt in ihrer Arbeit auch "Sonderformen der Netznutzung" [^2]. Dies können beispielsweise Direktleitungen, Eigenerzeugungsanlagen oder Inselnetze sein, die spezifische Regelungen erfordern. Die korrekte Abgrenzung und Bepreisung dieser Sonderfälle ist entscheidend, um Trittbrettfahrer-Effekte zu vermeiden und eine faire Kostenverteilung zu gewährleisten. Mit der Zunahme von Prosumern und lokalen Energiegemeinschaften wird die Kategorie der Sonderformen voraussichtlich an Relevanz gewinnen.

Anreize durch § 14a EnWG

Ein vielversprechender Ansatz zur netzdienlichen Steuerung ist die Neuregelung des § 14a EnWG. Diese ermöglicht es Netzbetreibern, steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen und Ladepunkte für Elektrofahrzeuge in Zeiten hoher Netzauslastung temporär zu drosseln oder in Zeiten geringer Auslastung zu aktivieren [^5]. Im Gegenzug profitieren Anlagenbetreibende von reduzierten Netzentgelten. Diese Regelung schafft Anreize für eine intelligente Steuerung des Verbrauchs und trägt dazu bei, die Netze zu entlasten und teuren Netzausbau zu verzögern. Die Umsetzung erfordert jedoch intelligente Messsysteme und eine enge Kooperation zwischen Netzbetreibern, Lieferanten und Verbrauchern [^5]. Die Vorteile der Neuerungen für Anlagenbetreibende liegen in einer Senkung der Stromkosten, während die Netzbetreiber von einer besseren Netzauslastung und -stabilität profitieren.

Zukünftige Abrechnungssystematik und deren Implikationen

Die zukünftige Abrechnungssystematik der Netznutzung wird sich voraussichtlich von starren, pauschalen Modellen hin zu flexibleren, verursachergerechteren Ansätzen entwickeln müssen. Der Kern dieser Entwicklung ist die stärkere Berücksichtigung der zeitlichen und räumlichen Komponente der Netznutzung.

Dynamische und flexible Netzentgelte

Eine der zentralen Reformideen ist die Einführung dynamischer Netzentgelte, die die aktuelle Auslastung und die Engpasssituation des Netzes widerspiegeln. Dies könnte bedeuten, dass Netzentgelte zu Spitzenlastzeiten höher und zu Schwachlastzeiten niedriger ausfallen. Solche Tarife würden starke Anreize schaffen, den Verbrauch in netzentlastende Zeiten zu verlagern oder flexible Erzeugungsanlagen entsprechend zu steuern. Die Implementierung erfordert eine umfassende Digitalisierung der Netze und den Rollout intelligenter Messsysteme (Smart Meter), die eine detaillierte Erfassung von Verbrauchs- und Einspeisedaten in Echtzeit ermöglichen.

Ortsabhängige Netzentgelte

Eng damit verbunden ist die Idee ortsabhängiger Netzentgelte. Da die Netzauslastung und die Ausbaukosten regional stark variieren – insbesondere in Gebieten mit hoher Einspeisung erneuerbarer Energien oder dicht besiedelten Ballungsräumen –, könnten differenzierte Netzentgelte eine präzisere Abbildung der tatsächlichen Kosten verursachen. Dies würde zwar die Komplexität des Abrechnungssystems erhöhen, könnte aber gleichzeitig die Effizienz steigern und Investitionen in Regionen lenken, wo sie am dringendsten benötigt werden. Eine solche Systematik müsste jedoch sorgfältig ausgestaltet werden, um regionale Wettbewerbsnachteile zu vermeiden und die Akzeptanz bei den Netznutzern sicherzustellen.

Rolle der Bundesregierung und der "Wachstumsinitiative"

Die Bundesregierung verfolgt mit Initiativen wie der "Wachstumsinitiative" vom Juli 2024 das Ziel, die deutsche Wirtschaft zu stärken und die Energiewende voranzutreiben [^3]. Maßnahmen zur Energieversorgung, die im Rahmen solcher Initiativen diskutiert werden, können direkte Auswirkungen auf die Netzentgeltsystematik haben. Eine kritische Betrachtung durch Akteure wie den VKU zeigt jedoch, dass nicht alle vorgeschlagenen Maßnahmen uneingeschränkt positiv für die kommunale Energiewirtschaft sind und möglicherweise zu neuen Belastungen führen könnten [^3]. Die Kohärenz zwischen energiepolitischen Zielen und der Ausgestaltung der Netzentgelte ist daher von entscheidender Bedeutung.

Vereinfachung und Transparenz

Trotz der Notwendigkeit einer stärkeren Differenzierung ist auch der Ruf nach Vereinfachung und erhöhter Transparenz der Netzentgelte laut. Für Endverbraucher ist das aktuelle System oft undurchsichtig und schwer nachvollziehbar. Eine klare Kommunikation der einzelnen Komponenten und ihrer Begründung ist unerlässlich, um die Akzeptanz für notwendige Reformen zu schaffen und die Verbraucher zur aktiven Teilnahme an der Energiewende zu motivieren.

Fazit und Ausblick

Die Abrechnung der Netznutzung über Netzentgeltkomponenten steht an einem Scheideweg. Das bestehende System, das historisch gewachsen ist, ist zunehmend ungeeignet, die Herausforderungen einer dezentralisierten und volatilen Energieversorgung effizient und gerecht zu meistern. Die Bundesnetzagentur treibt mit ihren Konsultationen und Diskussionspapieren die Reform der deutschen Stromnetzentgeltsystematik maßgeblich voran [^1], [^4].

Die zukünftige Systematik muss eine Balance finden zwischen der Notwendigkeit, die Netzinfrastruktur zu finanzieren, Anreize für netzdienliches Verhalten zu schaffen, die Kosten fair zu verteilen und gleichzeitig die Komplexität für die Endverbraucher beherrschbar zu halten. Die Integration von flexiblen Lasten durch Regelungen wie § 14a EnWG [^5], die Diskussion um die Beteiligung von Einspeisern an den Netzkosten [^4] und die potenzielle Einführung dynamischer oder ortsabhängiger Entgelte sind Schritte in die richtige Richtung. Diese Maßnahmen werden nicht nur die Effizienz des Netzes steigern, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende leisten, indem sie die Netze auf die Anforderungen eines zukünftigen, überwiegend von erneuerbaren Energien gespeisten Systems vorbereiten (siehe auch Ausbau der Verteilnetze).

Die Gestaltung der Netzentgelte ist somit nicht nur eine technische oder ökonomische Frage, sondern auch eine politische und gesellschaftliche. Eine erfolgreiche Reform erfordert einen breiten Konsens und eine vorausschauende Planung, um die Stabilität und Bezahlbarkeit der Energieversorgung langfristig zu sichern.


Quellenverzeichnis

[^1] Bundesnetzagentur (BNetzA). (2023, 01. Dezember). Eckpunktepapier zur Konsultation zur bundesweiten Verteilung der Mehrbelastungen aus der Integration von Stromerzeugungsanlagen. [^2] Bundesnetzagentur (BNetzA). (o.D.). Beschlusskammer 4: Zuständigkeiten. [Abgerufen am TT.MM.JJJJ]. [^3] Verband kommunaler Unternehmen (VKU). (2024, 01. August). Wachstumsinitiative der Bundesregierung: Licht und Schatten für die kommunale Energiewirtschaft. [^4] Bundesnetzagentur (BNetzA). (2025, Mai). Diskussionspapier über die Zukunft der Stromnetzentgelte in Deutschland: Sollen Einspeiser Netzentgelte zahlen?. [^5] Bundesnetzagentur (BNetzA). (o.D.). Wissenswertes zu § 14a EnWG. [Abgerufen am TT.MM.JJJJ].