Regulatorischer Kontext des NEST-Prozesses
Regulatorischer Kontext des NEST-Prozesses
Die deutsche Energiewirtschaft befindet sich inmitten einer tiefgreifenden Transformation, die maßgeblich durch die Ziele der Energiewende und die Notwendigkeit der Dekarbonisierung vorangetrieben wird [^5]. Diese Entwicklung stellt nicht nur technische und infrastrukturelle Herausforderungen dar, sondern erfordert auch eine kontinuierliche Anpassung des regulatorischen Rahmens, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, Investitionen in Netze zu fördern und gleichzeitig die Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher zu minimieren. Im Zentrum dieser Anpassungsbemühungen steht der sogenannte NEST-Prozess (Nachfolgeregelungen für die Anreizregulierungsverordnung), der von der Bundesnetzagentur (BNetzA) initiiert wurde, um die bestehende Anreizregulierung für Strom- und Gasnetzbetreiber grundlegend zu überarbeiten und zukunftsfähig zu gestalten [^5], [^6]. Dieser Prozess ist von entscheidender Bedeutung, da er die Weichen für die Regulierung der Netzinfrastruktur für die kommenden Regulierungsperioden stellt und somit direkten Einfluss auf die Investitionsfähigkeit, Effizienz und Innovationskraft der Netzbetreiber hat.
Die Evolution der Anreizregulierung: Von der ARegV zum NEST-Prozess
Die Anreizregulierung, wie sie seit 2009 durch die Anreizregulierungsverordnung (ARegV) in Deutschland etabliert ist, bildet das Kernstück der Regulierung von Energienetzbetreibern. Ihr primäres Ziel ist es, Netzbetreiber zu Effizienzsteigerungen anzuhalten, indem sie Anreize für kostenorientiertes Handeln und qualitative Netzdienstleistungen setzt. Im Gegensatz zur reinen Kostenregulierung, bei der Netzbetreiber alle ihre Kosten erstattet bekommen, ermöglicht die Anreizregulierung, dass Effizienzgewinne bei den Unternehmen verbleiben, während Ineffizienzen zu Lasten der Unternehmen gehen. Dies soll langfristig zu niedrigeren Netzentgelten und einer effizienteren Netzbewirtschaftung führen, indem der regulierte Erlös durch einen Effizienzfaktor gekürzt wird und zusätzliche Anreize für eine hohe Versorgungsqualität geschaffen werden. Siehe auch Kapitel X zur Anreizregulierungsgrundlagen.
Jedoch hat die bisherige ARegV im Kontext der dynamischen Energiewende ihre Grenzen erreicht. Die Notwendigkeit massiver Investitionen in die Netzinfrastruktur zur Integration erneuerbarer Energien, zur Digitalisierung und zur Anpassung an neue Lastprofile erfordert einen Regulierungsrahmen, der flexibler auf diese Herausforderungen reagieren kann und gleichzeitig die Kapitaldienstfähigkeit der Netzbetreiber sichert. Kritiker der bestehenden ARegV weisen darauf hin, dass die bisherigen Anreize nicht immer ausreichend waren, um die notwendigen langfristigen Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau der Netze zu gewährleisten. Insbesondere die Komplexität der Genehmigungsverfahren, die Unsicherheit bezüglich der Refinanzierung von Zukunftstechnologien und die Herausforderungen beim Effizienzvergleich heterogener Netzbetreiber haben Anpassungsbedarf aufgezeigt. Der NEST-Prozess wurde daher als ein umfassendes Projekt konzipiert, das nicht nur einzelne Parameter anpasst, sondern eine strukturelle Neuausrichtung der Anreizregulierung zum Ziel hat. Er soll die regulatorischen Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie den Anforderungen einer modernen, dezentralen und klimaneutralen Energieversorgung gerecht werden und gleichzeitig die notwendigen Investitionen in die Netzinfrastruktur incentivieren [^5].
Ziele und Struktur des NEST-Prozesses
Der NEST-Prozess verfolgt mehrere zentrale Ziele. Erstens soll die Effizienz der Netznutzung weiter gesteigert und ein fairer Wettbewerb gefördert werden, indem die Methodik des Effizienzvergleichs präzisiert und zukunftsfähig ausgestaltet wird. Zweitens ist die Gewährleistung der Versorgungssicherheit und der Netzstabilität von höchster Bedeutung, insbesondere angesichts der zunehmenden Volatilität durch erneuerbare Energien und die Notwendigkeit, auf neue Formen der Netznutzung (z.B. Elektromobilität, Wärmepumpen) zu reagieren. Drittens sollen Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau der Netzinfrastruktur attraktiv gemacht und beschleunigt werden, um die Energiewende erfolgreich umzusetzen und die Netze auf die Anforderungen einer dekarbonisierten Wirtschaft vorzubereiten. Viertens zielt der Prozess darauf ab, die Transparenz und die Nachvollziehbarkeit der Regulierung zu erhöhen und gleichzeitig die Bürokratie zu reduzieren, um die Akzeptanz bei allen Marktteilnehmern zu stärken.
Um diese komplexen Ziele zu erreichen, hat die Bundesnetzagentur eine mehrstufige Struktur für die Festlegungsverfahren im Rahmen des NEST-Prozesses entwickelt [^6]. Diese Struktur gliedert sich typischerweise in drei hierarchische Ebenen, die eine systematische und kohärente Entwicklung des Regulierungsrahmens ermöglichen:
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Rahmenfestlegungen (Ebene 1): Diese Ebene bildet die strategische Grundlage des neuen Regulierungsrahmens. Hier werden die übergeordneten Prinzipien, die methodischen Eckpfeiler und die grundlegenden Parameter der zukünftigen Anreizregulierung festgelegt. Dazu gehören beispielsweise die allgemeinen Grundsätze für die Bestimmung der Erlösobergrenzen, die Behandlung von Investitionen, die Definition von Kostenarten und die allgemeine Ausgestaltung des Effizienzvergleichs. Die Festlegungsverfahren RAMEN Strom (Geschäftszeichen GBK-25-01-11) und RAMEN Gas (Geschäftszeichen GBK-25-01-21) sind prominente Beispiele für solche Rahmenfestlegungen. Sie definieren die makroökonomischen und prinzipiellen Regeln, die für die Ermittlung der Netzentgelte in den kommenden Regulierungsperioden maßgeblich sein werden und legen die Basis für die Ausgestaltung der Anreizregulierung nach der ARegV fest [^1], [^7]. Eine präzise Formulierung auf dieser Ebene ist entscheidend für die langfristige Stabilität und Vorhersehbarkeit des Regulierungsrahmens.
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Methodenfestlegungen (Ebene 2): Auf dieser Ebene werden die detaillierten Methoden und Verfahren zur konkreten Umsetzung der in Ebene 1 definierten Rahmenfestlegungen spezifiziert. Hierzu zählen beispielsweise die genaue Ausgestaltung des Effizienzvergleichs (z.B. die Wahl des Benchmarking-Verfahrens und der Input-Output-Faktoren), die Methodik zur Bestimmung von Investitionsbudgets (z.B. für spezifische Netzsegmente oder Innovationsprojekte), die Anforderungen an die Datenbereitstellung der Netzbetreiber oder spezifische Regelungen für die Berücksichtigung innovativer Technologien und Flexibilitätsoptionen. Die StromNEF (Strom-Netzentgeltfestlegung, GBK-24-02-13) und GasNEF (Gas-Netzentgeltfestlegung, GBK-24-02-23) Verfahren sind hier anzusiedeln, da sie die konkreten Methoden zur Berechnung der Netzentgelte detaillieren, die auf den prinzipiellen Vorgaben der Rahmenfestlegungen basieren [^7]. Diese Ebene dient der Operationalisierung der regulatorischen Prinzipien.
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Perioden- oder unternehmensbezogene Festlegungen (Ebene 3): Diese Ebene umfasst die konkreten Festlegungen für einzelne Regulierungsperioden oder spezifische Netzbetreiber. Hier werden die individuellen Erlösobergrenzen, Effizienzvorgaben und Investitionsbudgets für die Netzbetreiber auf Basis der in Ebene 1 und 2 definierten Methoden bestimmt. Diese Festlegungen sind direkt auf die einzelne Regulierungsperiode zugeschnitten und berücksichtigen die spezifischen Gegeben