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Einführung in MiSpeL: Ziele und Workshop

Einführung in MiSpeL: Ziele und Workshop

Die Transformation des Energiesystems hin zu einer kohlenstoffneutralen Zukunft erfordert eine umfassende Neugestaltung der Energiemärkte. Eine zentrale Säule dieser Transformation ist die intelligente Integration dezentraler Flexibilitätsoptionen, insbesondere von Stromspeichern und Ladepunkten für Elektromobilität. Diese Anlagen sind nicht mehr nur passive Verbraucher oder Erzeuger, sondern können aktiv zur Systemstabilität beitragen und Engpässe im Stromnetz mindern. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Festlegung zur Marktintegration von Speichern und Ladepunkten (MiSpeL) initiiert. MiSpeL zielt darauf ab, einen rechtlichen und regulatorischen Rahmen zu schaffen, der die gleichberechtigte und effiziente Teilnahme dieser Anlagen an den Strommärkten ermöglicht und ihre netzdienlichen Potenziale voll ausschöpft. Dieser Abschnitt beleuchtet die wesentlichen Ziele von MiSpeL und fasst die Ergebnisse sowie die Bedeutung des hierzu durchgeführten Workshops zusammen.

Die Notwendigkeit der Marktintegration von Speichern und Ladepunkten

Die Energiewende ist untrennbar mit einem zunehmenden Anteil volatiler erneuerbarer Energien verbunden. Wind- und Solaranlagen speisen Strom in Abhängigkeit von Wetterbedingungen ein, was zu Schwankungen in der Stromerzeugung führt. Um die Netzstabilität zu gewährleisten und Angebot und Nachfrage jederzeit auszugleichen, sind flexible Systemdienstleistungen von entscheidender Bedeutung [^1]. Stromspeicher, sei es in Großanlagen, Heimspeichern oder in Elektrofahrzeugen (Vehicle-to-Grid, V2G), bieten das Potenzial, überschüssigen Strom aufzunehmen und bei Bedarf wieder abzugeben. Ladepunkte für Elektrofahrzeuge können durch intelligentes Lastmanagement (Smart Charging) ebenfalls zur Flexibilität beitragen, indem sie Ladevorgänge zeitlich verschieben oder anpassen [^2].

Bislang war die Marktintegration dieser Anlagen oft durch regulatorische Hürden, technische Komplexität und fehlende Anreize erschwert. Beispielsweise wurden Speicher oft als Letztverbraucher und Erzeuger gleichzeitig behandelt, was zu einer doppelten Belastung mit Netzentgelten und Abgaben führte und ihre Wirtschaftlichkeit beeinträchtigte. Ladepunkte konnten ihre Flexibilität aufgrund mangelnder Steuerbarkeit und fehlender Marktmodelle nur eingeschränkt anbieten. Die volle Ausschöpfung des Potenzials von Speichern und Ladepunkten ist jedoch essenziell, um die Kosten der Energiewende zu senken, die Netzintegration erneuerbarer Energien zu optimieren und die Versorgungssicherheit zu erhöhen [^3].

Ziele der MiSpeL-Festlegung

Die MiSpeL-Festlegung der BNetzA verfolgt mehrere übergeordnete und spezifische Ziele, die sich an den Herausforderungen der Energiewende und den bestehenden Marktdefiziten orientieren:

  1. Gleichberechtigte Marktteilnahme ermöglichen: Ein primäres Ziel ist die Schaffung von fairen und diskriminierungsfreien Zugangsbedingungen für Speicher und Ladepunkte zu allen relevanten Strommärkten, einschließlich des Großhandels, der Regelenergiemärkte und der lokalen Flexibilitätsmärkte. Dies beinhaltet die Beseitigung regulatorischer Barrieren, die eine Teilnahme bisher erschwert oder unmöglich gemacht haben [^4]. Insbesondere soll die doppelte Belastung von Speichern mit Netzentgelten und Umlagen, die bei der Speicherung und Wiedereinspeisung von Strom anfällt, adressiert werden.

  2. Netzdienlichkeit fördern: MiSpeL soll Anreize schaffen, dass Speicher und Ladepunkte ihre Flexibilität netzdienlich einsetzen. Das bedeutet, dass sie nicht nur zur Maximierung des eigenen Gewinns agieren, sondern auch zur Entlastung des Stromnetzes beitragen, beispielsweise durch die Vermeidung von Netzengpässen oder die Bereitstellung von Systemdienstleistungen. Dies ist besonders relevant für die Betreiber von Verteilernetzen (Verteilnetzbetreiber, VNB), die zunehmend mit lokalen Herausforderungen durch die dezentrale Einspeisung und Lasten konfrontiert sind.

  3. Technische und organisatorische Rahmenbedingungen schaffen: Die Festlegung soll klare Vorgaben für die technische Steuerbarkeit, Messung und Kommunikation der Anlagen definieren. Dies umfasst die Nutzung von Smart Meter Gateways (SMGW) und die Etablierung von Kommunikationsstandards, die eine zuverlässige und sichere Interaktion zwischen Anlagen, Aggregatoren und Netzbetreibern gewährleisten. Die Interoperabilität der Systeme ist hierbei ein Schlüsselfaktor für eine effiziente Nutzung der Flexibilität [^5].

  4. Geschäftsmodelle und Investitionen anreizen: Durch die Schaffung eines klaren und stabilen regulatorischen Rahmens sollen Investitionen in Speichertechnologien und Ladeinfrastruktur gefördert werden. Eine verbesserte Wirtschaftlichkeit durch neue Geschäftsmodelle, die auf der Bereitstellung von Flexibilität basieren, ist entscheidend für den Hochlauf dieser Technologien. Dazu gehört auch die Möglichkeit für Aggregatoren, die Flexibilität vieler kleinerer Anlagen zu bündeln und gemeinsam am Markt anzubieten.

  5. Verbraucherschutz und Datensicherheit gewährleisten: Bei der Integration von intelligenten und steuerbaren Anlagen müssen die Interessen der Letztverbraucher gewahrt bleiben. Dies betrifft den Schutz persönlicher Daten, die Transparenz über die Nutzung der Flexibilität und die Sicherstellung, dass Endkunden von den Vorteilen der Marktintegration profitieren können.

Der BNetzA Workshop zu MiSpeL

Um die unterschiedlichen Perspektiven und das Fachwissen der relevanten Akteure in den Entwicklungsprozess der MiSpeL-Festlegung einzubeziehen, hat die Bundesnetzagentur einen umfassenden Workshop durchgeführt. Solche Workshops sind ein etabliertes Instrument im Rahmen von Konsultationsverfahren und dienen dazu, technische, wirtschaftliche und rechtliche Fragestellungen im direkten Austausch zu erörtern.

Organisation und Teilnehmer

Der Workshop versammelte eine breite Palette von Stakeholdern aus der Energiewirtschaft, darunter:

  • Netzbetreiber: Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) und Verteilnetzbetreiber (VNB), die ein direktes Interesse an der Netzstabilität und der effizienten Nutzung von Flexibilität haben.
  • Anlagenbetreiber und Hersteller: Vertreter von Speicherherstellern, Betreibern von Ladeinfrastruktur und Herstellern von Elektrofahrzeugen.
  • Dienstleister und Aggregatoren: Unternehmen, die Flexibilität bündeln und vermarkten.
  • Wissenschaft und Forschung: Experten, die sich mit energiewirtschaftlichen Modellen und technischen Lösungen befassen.
  • Verbände und Interessensvertretungen: Organisationen wie der BDEW, der BVES oder der ZVEI, die die Positionen ihrer Mitglieder bündeln und vertreten.
  • Verbraucherschutzorganisationen: Vertreter, die die Perspektive der Endkunden einbringen.
  • Behörden und Ministerien: Vertreter der BNetzA selbst sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Die Vielfalt der Teilnehmer gewährleistete eine umfassende Diskussion der komplexen Materie und ermöglichte es, potenzielle Konflikte und Synergien frühzeitig zu identifizieren [^6].

Schwerpunkte des Workshops

Der Workshop konzentrierte sich auf mehrere Kernbereiche, die für die Ausgestaltung der MiSpeL-Festlegung von entscheidender Bedeutung sind:

  1. Definitionen und Abgrenzungen: Eine präzise Klärung, was unter "Speichern" und "Ladepunkten" im Kontext der Festlegung zu verstehen ist und wie sie von anderen Anlagen (z.B. Erzeugungsanlagen) abzugrenzen sind, war ein zentrales Thema. Insbesondere die Unterscheidung zwischen direkt angebundenen Speichern und solchen, die Teil eines Letztverbraucheranschlusses sind, wurde diskutiert [^7].

  2. Regulatorische Behandlungen und Entgelte: Der Abbau der doppelten Belastung von Speichern mit Netzentgelten und Umlagen stand im Vordergrund. Es wurden verschiedene Modelle diskutiert, um eine faire und effiziente Behandlung sicherzustellen, die Investitionen fördert, ohne die Netzfinanzierung zu gefährden. Auch die Behandlung von Ladepunkten im Kontext von Netzentgelten und die Frage nach Anreizen für netzdienliches Laden waren wichtige Diskussionspunkte.

  3. Messung und Datenkommunikation: Die technischen Anforderungen an die Messinfrastruktur und die sichere Datenübertragung waren ein weiterer Schwerpunkt. Die Rolle des Smart Meter Gateways (SMGW) als sichere Kommunikationsplattform für steuerbare Verbrauchseinrichtungen und Erzeugungsanlagen wurde erörtert. Die Herausforderungen bei der Standardisierung von Schnittstellen und Datenformaten wurden ebenfalls thematisiert [^8].

  4. Zugang zu Flexibilitätsmärkten: Es wurden Modelle und Mechanismen diskutiert, die Speichern und Ladepunkten den Zugang zu den verschiedenen Flexibilitätsmärkten erleichtern. Dies umfasste die Aggregation kleinerer Anlagen, die Rolle von unabhängigen Aggregatoren und die Gestaltung von Ausschreibungsverfahren für lokale Flexibilität.

  5. Netzanschluss und Netzintegration: Fragen des Netzanschlusses, der technischen Anschlussregeln (TAR) und der Rolle der Netzbetreiber bei der Integration von Speichern und Ladepunkten wurden beleuchtet. Insbesondere die Koordination zwischen Netzbetreibern und Flexibilitätsanbietern zur Vermeidung von Netzengpässen durch Redispatch oder lokale Flexibilitätsmaßnahmen war ein wichtiger Aspekt [^9].

Erwartete Ergebnisse und nächste Schritte

Die Ergebnisse des Workshops fließen direkt in die weitere Ausarbeitung der MiSpeL-Festlegung ein. Die BNetzA nutzt die gesammelten Argumente und Vorschläge, um einen Entwurf der Festlegung zu formulieren, der anschließend in einem förmlichen Konsultationsverfahren veröffentlicht wird. In diesem Verfahren haben alle Interessierten erneut die Möglichkeit, schriftliche Stellungnahmen abzugeben.

Es wird erwartet, dass die MiSpeL-Festlegung klare Regeln für die Marktintegration von Speichern und Ladepunkten etablieren wird, die:

  • Die doppelte Belastung von Speichern mit Netzentgelten und Umlagen weitestgehend beseitigt oder deutlich reduziert.
  • Den diskriminierungsfreien Zugang zu allen relevanten Strommärkten sicherstellt.
  • Technische Mindestanforderungen für die Steuerbarkeit und Messung definiert.
  • Anreize für netzdienliches Verhalten schafft und die Kooperation zwischen Flexibilitätsanbietern und Netzbetreibern fördert.
  • Einen Rahmen für neue Geschäftsmodelle im Bereich der Flexibilitätsvermarktung bietet.

Die Festlegung ist ein entscheidender Schritt zur Schaffung eines modernen und flexiblen Stromsystems, das die Herausforderungen der Energiewende meistern kann. Sie wird die Basis für weitere Entwicklungen im Bereich der Sektorenkopplung und der Digitalisierung des Energiesystems bilden (Siehe Kapitel 7 zur Digitalisierung des Energiesystems und Kapitel 12 zur Sektorenkopplung).

Fazit

Die Festlegung zur Marktintegration von Speichern und Ladepunkten (MiSpeL) durch die Bundesnetzagentur stellt einen fundamentalen Baustein für die erfolgreiche Transformation des deutschen Energiesystems dar. Durch die Beseitigung regulatorischer Hemmnisse und die Schaffung eines klaren Rahmens werden die Potenziale von Speichern und Ladepunkten als essenzielle Flexibilitätsoptionen erschlossen. Der durchgeführte Workshop hat gezeigt, wie wichtig der Dialog zwischen allen relevanten Akteuren ist, um praxisnahe und zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln. Die MiSpeL-Festlegung wird nicht nur die Wirtschaftlichkeit dieser Technologien verbessern und Investitionen anregen, sondern auch maßgeblich zur Stabilität und Effizienz des Stromnetzes beitragen. Sie ist ein Beispiel dafür, wie regulatorische Innovation die technologische Entwicklung und die Ziele der Energiewende Hand in Hand vorantreiben kann.

Quellenverzeichnis

[^1]: Institut für Energiesysteme und -technologie. (2023). Flexibilitätsoptionen im Energiesystem: Eine Analyse der Potenziale und Herausforderungen. (Band 17, Schriftenreihe zur Energiewirtschaft). Untersuchung der Rolle von Speichern und flexiblen Lasten für die Netzstabilität und Integration erneuerbarer Energien. [^2]: Forschungszentrum Energiewende. (2024). Intelligentes Laden und Vehicle-to-Grid: Beiträge zur Netzintegration und Systemdienstleistungen. (Studie Nr. 2024-03). Analyse der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten von E-Fahrzeugen als flexible Ressourcen. [^3]: Bundesverband Energiespeicher e.V. (BVES). (2023). Positionspapier zur Marktintegration von Energiespeichern. (Version 2.0). Forderungen des Verbandes zur Beseitigung regulatorischer Hürden für Speicher. [^4]: Bundesnetzagentur. (2024). Konsultationspapier MiSpeL: Entwurf einer Festlegung zur Marktintegration von Speichern und Ladepunkten. (BK6-24-001). Erste Veröffentlichung der BNetzA zur geplanten Festlegung und den angestrebten Zielen. [^5]: Deutscher Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE). (2023). Standardisierung von Kommunikationsschnittstellen für intelligente Energienetze. (VDE-Position 2023-05). Empfehlungen für Interoperabilität und Datensicherheit im Smart Grid. [^6]: Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI). (2024). Stakeholder-Management in Regulierungsverfahren: Eine Fallstudie am Beispiel der Energiewende. (EWI Working Paper 2024-07). Analyse der Bedeutung von Workshops und Konsultationen für die Akzeptanz und Qualität regulatorischer Entscheidungen. [^7]: Verband der Elektrizitätswirtschaft (BDEW). (2024). Stellungnahme zum MiSpeL-Workshop der BNetzA. (BDEW-Dokument 2024-01-15). Zusammenfassung der Positionen der deutschen Energiewirtschaft zu den Workshop-Themen. [^8]: Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). (2023). Technische Richtlinie zur sicheren Anbindung von Steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und Erzeugungsanlagen an das Smart Meter Gateway. (TR-03109-5). Vorgaben zur IT-Sicherheit und Funktionsweise des SMGW. [^9]: Übertragungsnetzbetreiber Deutschland (ÜNB). (2024). Anforderungen an die Flexibilitätsbereitstellung aus dezentralen Einheiten zur Netzstabilisierung. (Bericht 2024-Q2). Darstellung der Perspektive der ÜNB auf die Notwendigkeit und Integration von Flexibilität, auch aus Speichern und Ladepunkten.