Die Neuregelung des §14a EnWG: Status Quo und Auswirkungen
Die Neuregelung des §14a EnWG: Status Quo und Auswirkungen
Einführung und regulatorischer Kontext
Die Energiewende in Deutschland vollzieht einen fundamentalen Wandel von einer zentralisierten Erzeugungsstruktur hin zu einem dezentralen System, das zunehmend durch die Sektorenkopplung geprägt ist. Die Elektrifizierung des Wärme- und Verkehrssektors führt zu einer massiven Zunahme leistungsstarker Verbraucher im Niederspannungsnetz. Um die Netzstabilität zu gewährleisten und gleichzeitig den zügigen Anschluss dieser Anlagen zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und den darauf basierenden Festlegungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) einen neuen Ordnungsrahmen geschaffen. Diese Regelungen sind seit dem 1. Januar 2024 in Kraft und entfalten im Jahr 2025 ihre volle operative Wirkung.
Im Kern markiert die Neuregelung einen Paradigmenwechsel: Der bisherige Ansatz, Netzengpässe durch eine mögliche Anschlussverweigerung oder pauschale Abschaltungen zu vermeiden, wird durch ein präventives Engpassmanagement ersetzt. Netzbetreiber dürfen den Anschluss von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen (SteuVE) nicht mehr mit Verweis auf mangelnde Kapazitäten ablehnen. Im Gegenzug erhalten sie die Befugnis, den Leistungsbezug dieser Anlagen in kritischen Netzsituationen temporär zu dimmen (vgl. [Netzengpassmanagement]).
Definition und Geltungsbereich steuerbarer Verbrauchseinrichtungen
Unter den Begriff der steuerbaren Verbrauchseinrichtung gemäß § 14a EnWG fallen Anlagen, die Strom aus dem Niederspannungsnetz beziehen und über eine elektrische Nennleistung von mehr als 4,2 Kilowatt (kW) verfügen. Zu den primären Kategorien gehören:
- Private Ladeinfrastruktur: Wallboxen für Elektrofahrzeuge.
- Wärmepumpen: Inklusive Zusatzheizungen (Heizstäbe).
- Klimageräte: Anlagen zur Raumkühlung.
- Stromspeicher: Batteriespeicher, sofern sie Strom aus dem Netz beziehen.
Eine wesentliche Neuerung ist die verpflichtende Teilnahme für alle Neuanlagen, die ab dem 1. Januar 2024 in Betrieb genommen wurden. Für Bestandsanlagen, die vor diesem Stichtag errichtet wurden und für die bereits eine Vereinbarung zur Steuerung bestand (oft gegen reduziertes Netzentgelt), gelten weitreichende Übergangsfristen bzw. Bestandsschutz bis Ende 2028, sofern der Betreiber nicht freiwillig in das neue Regime wechselt[^1].
Das Prinzip des "Dimmens" statt Abschaltens
Ein zentrales Element der Neuregelung ist die Abkehr von der harten Abschaltung. Die Bundesnetzagentur hat festgelegt, dass eine vollständige Trennung vom Netz im Regelfall unzulässig ist. Stattdessen wird eine Mindestleistung garantiert. Im Falle einer drohenden Überlastung des lokalen Netzes darf der Verteilnetzbetreiber (VNB) die Leistung der betroffenen SteuVE auf bis zu 4,2 kW reduzieren[^2].
Dies stellt sicher, dass essentielle Funktionen aufrechterhalten bleiben – eine Wärmepumpe kann weiterhin den Heizbetrieb (ggf. reduziert) fortsetzen, und ein Elektrofahrzeug kann (wenn auch langsamer) weiterladen. Dieser Ansatz trägt der Verhältnismäßigkeit Rechnung und stärkt die Akzeptanz bei den Anschlussnutzern. Die Steuerung erfolgt dabei netzorientiert, also basierend auf den tatsächlichen physikalischen Gegebenheiten im lokalen Leitungsstrang, und nicht marktorientiert.
Technische Umsetzung und Kommunikation
Die operative Umsetzung erfordert eine moderne Mess- und Steuerungsinfrastruktur. Perspektivisch erfolgt die Steuerung über ein intelligentes Messsystem (iMSys), bestehend aus einem Smart Meter Gateway (SMGW) und einer Steuerbox (FNN-Steuerbox) an der digitalen Schnittstelle.
Bis diese Infrastruktur flächendeckend verfügbar ist, agieren Netzbetreiber und Installateure mit Übergangslösungen. Aktuell kommen häufig noch Rundsteuerempfänger oder Direktsteuerungen über Relaiskontakte zum Einsatz. Die Festlegung der BNetzA (BK6-22-300) sieht vor, dass die Steuerung stufenweise digitalisiert wird. Ab 2025 gewinnt die direkte Ansteuerung über die CLS-Schnittstelle (Controllable Local System) des Smart Meter Gateways an Bedeutung, was eine präzisere und sicherere Kommunikation zwischen Netzbetreiber und Endgerät ermöglicht (siehe [Smart Meter Rollout]).
Ökonomische Anreize: Die neue Netzentgeltsystematik
Als Kompensation für die Bereitstellung der Flexibilität und die Hinnahme möglicher Eingriffe profitieren Betreiber von SteuVE von reduzierten Netzentgelten. Die Bundesnetzagentur hat hierfür ein modulares System eingeführt, das Wahlmöglichkeiten bietet:
- Modul 1 (Pauschale Reduzierung): Hierbei handelt es sich um die Standardregelung. Der Betreiber erhält einen pauschalen Rabatt auf das Netzentgelt, der sich an einer typischen Verbrauchmenge orientiert. Diese Variante erfordert keinen separaten Zähler und ist administrativ einfach umzusetzen. Je nach Netzgebiet kann die Ersparnis zwischen 110 und 190 Euro brutto pro Jahr liegen[^1].
- Modul 2 (Prozentuale Reduzierung): In diesem Modell wird der Arbeitspreis des Netzentgelts für die SteuVE um 60 Prozent reduziert. Voraussetzung ist jedoch die separate mess- und steuerungstechnische Erfassung der Anlage (getrennter Zählpunkt). Dieses Modell lohnt sich insbesondere bei Anlagen mit sehr hohem Stromverbrauch, wie etwa Wärmepumpen in älteren, ungedämmten Gebäuden.
- Modul 3 (Zeitvariable Netzentgelte): Ab 2025 wird zusätzlich die Möglichkeit variabler Netzentgelte eingeführt, die Anreize für den Verbrauch in lastschwachen Zeiten setzen sollen. Dies kann mit den Modulen 1 oder 2 kombiniert werden.
Die Transparenz dieser Module ist entscheidend für die Investitionsentscheidungen der Verbraucher. Netzbetreiber wie die Netze BW informieren daher proaktiv über die finanziellen Auswirkungen und die technischen Voraussetzungen[^1].
Operative Herausforderungen und Ausblick 2025
Das Jahr 2025 stellt für die Verteilnetzbetreiber eine Konsolidierungsphase dar. Während 2024 primär durch die administrative Implementierung und die Anpassung der technischen Anschlussbedingungen (TAB) geprägt war, liegt der Fokus nun auf der Skalierung der Prozesse.
Eine besondere Herausforderung ist die "Zustandsermittlung Netz". Die Netzbetreiber sind verpflichtet, ihre Netze so zu digitalisieren, dass sie Engpässe nicht nur prognostizieren, sondern in Echtzeit messen können. Solange diese Echtzeit-Transparenz in der Niederspannung nicht gegeben ist, dürfen Steuerungsmaßnahmen nur als "Ultima Ratio" präventiv auf Basis von Berechnungen erfolgen. Mit fortschreitendem Ausbau der Sensorik und Smart-Meter-Infrastruktur wird der Übergang von einer statischen zu einer dynamischen Steuerung erwartet[^2].
Für das Handwerk und die Planer bedeutet dies, dass bei der Installation von Wallboxen und Wärmepumpen zwingend die Vorbereitung für die netzdienliche Steuerung berücksichtigt werden muss. Eine "einfache" Installation ohne Kommunikationsanbindung ist rechtlich bei Neuanlagen nicht mehr zulässig.
Zusammenfassung
Die Neuregelung des § 14a EnWG ist ein notwendiger Schritt zur Integration dezentraler Verbraucher in das Energiesystem. Sie beendet die Unsicherheit bezüglich Anschlussverweigerungen und etabliert einen fairen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Netzstabilität und dem Komfort der Nutzer. Die praktische Bewährungsprobe dieses Systems findet in den kommenden Jahren statt, wenn die Durchdringung mit Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen weiter steigt und die Digitalisierung des Verteilnetzes (siehe [Digitalisierung der Energiewende]) mit der physikalischen Lastentwicklung Schritt halten muss.
Quellenverzeichnis
[^1]: Netze BW. (2025). Neuregelung § 14a EnWG - steuerbare Verbrauchseinrichtungen. (Online-Portal). Informationen zu den neuen Pflichten für Netzbetreiber, den Rechten der Anschlussnutzer und den Modulen der Netzentgeltreduzierung.
[^2]: Bundesnetzagentur. (2023). Festlegung zur Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen. (BK6-22-300). Beschlusskammer 6, Festlegung der regulatorischen Rahmenbedingungen für die netzorientierte Steuerung gemäß § 14a EnWG.
[^3]: Bundesrepublik Deutschland. (2024). Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG). In der Fassung der Bekanntmachung unter besonderer Berücksichtigung des § 14a zur netzorientierten Steuerung von Verbrauchseinrichtungen.
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