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Ökonomische Analyse der Abrechnungsmodule 1 bis 3

Ökonomische Analyse der Abrechnungsmodule 1 bis 3

Einführung in die regulatorische Systematik nach § 14a EnWG

Die Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen (SteuVE) in das Niederspannungsnetz markiert einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der deutschen Energiewirtschaft. Mit der Neuregelung des § 14a EnWG und der korrespondierenden Festlegung der Bundesnetzagentur (BK6-22-300) wurde ein System geschaffen, das die netzdienliche Flexibilität von Verbrauchern nicht mehr nur als Option, sondern als verpflichtenden Standard definiert. Im Zentrum dieser Regulatorik stehen die Entgeltmodule, die dem Endkunden finanzielle Anreize für die Hinnahme von netzorientierten Steuerungsmaßnahmen – insbesondere der Dimmung im kritischen Netzfall – bieten.

Die ökonomische Bewertung dieser Module ist für Anschlussnutzer, Energieberater und Versorgungsunternehmen von entscheidender Bedeutung. Während die Module 1 und 2 bereits seit 2024 etabliert sind, bietet das seit April 2025 verfügbare Modul 3 eine neue Dimension der Kosteneffizienz durch die Integration zeitvariabler Tarifkomponenten. Diese Entwicklung korreliert mit der Pflicht der Energieversorger, ab 2025 dynamische und zeitvariable Tarife anzubieten, was als „neue Ära für Energieversorger“ bezeichnet werden kann, die zwar vielversprechend ist, aber auch komplexe Herausforderungen an die IT- und Abrechnungsinfrastruktur stellt[^1].

Diese Analyse vergleicht die Wirtschaftlichkeit der pauschalen Netzentgeltreduzierung (Modul 1) mit der prozentualen Arbeitspreisreduzierung (Modul 2) und untersucht die synergetischen Effekte des additiven Moduls 3.


Detaillierte Betrachtung der Entgeltmodule

Um eine fundierte Wirtschaftlichkeitsberechnung durchzuführen, ist zunächst ein präzises Verständnis der Abrechnungsmechaniken erforderlich. Siehe hierzu auch [Grundlagen der Netzintegration] und [Technische Anforderungen an SteuVE].

Modul 1: Die pauschale Netzentgeltreduzierung

Das Modul 1 fungiert als Standardeinstellung (Default-Modus) für Betreiber von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, sofern keine gesonderte Zählung vorhanden ist.

  • Mechanik: Der Netzbetreiber gewährt einen pauschalen Rabatt auf das Netzentgelt. Dieser Betrag wird transparent auf der Abrechnung ausgewiesen.
  • Berechnungsgrundlage: Die Pauschale orientiert sich an einer fiktiven Netzbezugsmenge (oftmals ca. 2.500 bis 3.750 kWh für Ladeeinrichtungen oder Wärmepumpen) multipliziert mit dem vor Ort geltenden Arbeitspreis des Netzentgelts, zuzüglich einer Stabilitätsprämie. Je nach Netzgebiet variiert die Höhe der Rückvergütung typischerweise zwischen 110 € und 190 € pro Jahr (brutto).
  • Vorteil: Es ist kein separater Zählpunkt und somit kein zusätzlicher Zählerplatz oder ein zweites Smart Meter Gateway notwendig. Dies minimiert die initialen Investitionskosten (CAPEX) und die laufenden Messstellenbetriebskosten.

Modul 2: Die prozentuale Arbeitspreisreduzierung

Das Modul 2 richtet sich an Nutzer mit hohem Strombezug über die steuerbare Einrichtung.

  • Mechanik: Der Arbeitspreis des Netzentgelts wird für den über die SteuVE bezogenen Strom um 60 Prozent reduziert.
  • Voraussetzung: Zwingende Voraussetzung ist die separate messtechnische Erfassung des verbrauchten Stroms der steuerbaren Einrichtung (getrennter Zählpunkt). Dies erfordert in der Regel eine aufwändigere Zählerkaskade oder einen zweiten Zähler.
  • Ökonomische Logik: Da die Fixkosten (Messstellenbetrieb, Zählergrundpreis) höher sind als bei Modul 1, lohnt sich dieses Modell erst ab einem bestimmten Verbrauchsschwellenwert (Break-Even-Point).

Modul 3: Zeitvariable Netzentgelte (ab April 2025)

Das Modul 3 ist kein eigenständiges Abrechnungsmodell, das Modul 1 oder 2 ersetzt, sondern fungiert als additives Element – primär in Kombination mit Modul 1.

  • Konzept: Das Netzentgelt variiert in Abhängigkeit von der Tageszeit (Time-of-Use). In Zeiten niedriger Netzlast (typischerweise nachts oder mittags bei hoher PV-Einspeisung) sinken die Netzentgelte, während sie in den Spitzenlastfenstern (morgens und abends) steigen.
  • Integration: Seit dem 01.04.2025 müssen Verteilnetzbetreiber diese zeitvariablen Entgelte in Kombination mit Modul 1 anbieten. Dies stellt einen innovativen Ansatz zur Integration flexibler Lasten in das Verteilnetz dar[^1].
  • Zielsetzung: Es soll ein monetärer Anreiz geschaffen werden, den Verbrauch (z. B. Laden des E-Autos) in netzdienliche Zeitfenster zu verschieben, ohne dass der Komfort des Nutzers signifikant eingeschränkt wird.

Vergleichende Wirtschaftlichkeitsanalyse

Die Entscheidung für ein Modul ist eine klassische Investitionsrechnung, bei der die Einsparungen (Cashflow) den zusätzlichen Kosten (OPEX für Messstellenbetrieb und CAPEX für Installation) gegenübergestellt werden müssen.

1. Break-Even-Analyse: Modul 1 vs. Modul 2

Die Kernfrage für Betreiber lautet: Ab welcher Verbrauchsmenge überkompensiert die 60-prozentige Reduktion des Arbeitspreises (Modul 2) die höheren Fixkosten im Vergleich zur Pauschale (Modul 1)?

Nehmen wir folgende exemplarische Parameter an (Werte variieren je nach Netzgebiet):

  • Netzentgelt-Arbeitspreis (AP): 10 ct/kWh
  • Pauschale (Modul 1): 150 €/Jahr
  • Zusatzkosten Messstellenbetrieb (Modul 2): 100 €/Jahr (konservative Schätzung für zusätzlichen Zähler/Gateway-Administration)

Szenario A: Geringer Verbrauch (Elektroauto, 10.000 km/Jahr)

  • Verbrauch SteuVE: 2.000 kWh
  • Rechnung Modul 1: Ersparnis = 150 € (fix).
  • Rechnung Modul 2: Ersparnis = 2.000 kWh * (10 ct * 0,60) - 100 € Zusatzkosten = 120 € - 100 € = 20 €.
  • Ergebnis: Modul 1 ist signifikant wirtschaftlicher.

Szenario B: Hoher Verbrauch (Wärmepumpe + E-Auto im Altbau)

  • Verbrauch SteuVE: 7.000 kWh
  • Rechnung Modul 1: Ersparnis = 150 € (fix).
  • Rechnung Modul 2: Ersparnis = 7.000 kWh * 6 ct - 100 € = 420 € - 100 € = 320 €.
  • Ergebnis: Modul 2 bietet den doppelten finanziellen Vorteil.

Der Break-Even-Point (BEP) lässt sich wie folgt approximieren: $$ BEP_{kWh} = \frac{\text{Pauschale Modul 1} + \text{Zusatzkosten Modul 2}}{\text{Arbeitspreis} \times 0,6} $$

Bei den angenommenen Werten läge der Schnittpunkt bei ca. 4.166 kWh. Unterhalb dieses Wertes ist Modul 1 ökonomisch sinnvoller, darüber Modul 2. Dies verdeutlicht, warum für reine E-Auto-Nutzer ohne Wärmepumpe Modul 1 oft die Standardempfehlung ist.

2. Der Einflussfaktor Modul 3 (Zeitvariable Tarife)

Mit der Einführung von Modul 3 im April 2025 verschiebt sich die Bewertungsgrundlage. Modul 3 wird als Add-on zu Modul 1 angeboten. Dies bedeutet, der Kunde erhält die Pauschale (z. B. 150 €) und kann zusätzlich durch Verbrauchsverlagerung profitieren.

Die Herausforderung und zugleich das Potenzial liegen in der Volatilität der Preise. Wie Quellen aus der Beratungspraxis bestätigen, sind zeitvariable Tarife ein vielversprechender Ansatz, bringen aber auch große Herausforderungen für Energieversorger und Kunden mit sich, da sie eine höhere Komplexität in der Abrechnung und Steuerung erfordern[^1].

Wirtschaftlichkeitseffekt von Modul 3: Das Modul 3 teilt den Tag in verschiedene Tarifzonen (Hochtarif HT / Niedertarif NT).

  • NT-Zone (z.B. 22:00 - 06:00 Uhr): Reduziertes Netzentgelt (z.B. 4 ct/kWh statt 10 ct/kWh).
  • HT-Zone (z.B. 17:00 - 20:00 Uhr): Erhöhtes Netzentgelt (z.B. 15 ct/kWh).

Für einen Kunden im Modul 1 (Pauschale) + Modul 3 ergibt sich folgende Optimierungsmöglichkeit: Er erhält die fixen 150 €. Lädt er sein E-Auto (2.000 kWh) ausschließlich im NT-Fenster, spart er gegenüber dem Standard-Netzentgelt zusätzlich: $$ \Delta_{Ersparnis} = 2.000 \text{ kWh} \times (10 \text{ ct} - 4 \text{ ct}) = 120 € $$ Gesamtersparnis = 150 € (Pauschale) + 120 € (Shift-Effekt) = 270 €.

Vergleich zur reinen Arbeitspreisreduzierung (Modul 2): In Szenario A (2.000 kWh) ergab Modul 2 nur 20 € Netto-Ersparnis. Die Kombination Modul 1 + Modul 3 übertrifft dies mit 270 € massiv.

Selbst in Verbrauchsbereichen, die bisher klar für Modul 2 sprachen (z. B. 4.500 kWh), kann die Kombination Modul 1 + 3 nun überlegen sein, sofern eine hohe Lastverschiebungspotenzial (Flexibilität) besteht. Dies ist bei E-Autos gegeben, bei Wärmepumpen im tiefen Winter jedoch oft nur eingeschränkt möglich, da diese wärmegeführt laufen müssen.

Weitere Details zur technischen Umsetzung finden sich unter [Intelligente Messsysteme].

Strategische Implikationen für Energieversorger und Endkunden

Die Einführung des Moduls 3 erfordert ein Umdenken. War die Entscheidung zwischen Modul 1 und 2 bisher rein statisch (abhängig vom Jahresverbrauch), wird sie nun dynamisch (abhängig vom Verbrauchsverhalten und der Automatisierung).

  1. Automatisierung ist Pflicht: Um die Vorteile von Modul 3 zu nutzen, ist ein Energiemanagementsystem (HEMS) unabdingbar, das auf die Preissignale des Netzbetreibers reagiert. Manuelle Steuerung ist zu fehleranfällig und unkomfortabel.
  2. Komplexitätsmanagement: Energieversorger sind seit dem 01.01.2025 verpflichtet, entsprechende Tarife anzubieten. Dies erfordert neue Abrechnungs-Engines, die in der Lage sind, viertelstundengenaue Werte zu verarbeiten und mit den pauschalen Komponenten des Moduls 1 zu verrechnen[^1].
  3. Empfehlungshorizont:
    • E-Mobilität: Klare Tendenz zu Modul 1 + Modul 3. Das hohe Verschiebepotenzial (Laden in der Nacht) maximiert die Gewinne aus den zeitvariablen Entgelten.
    • Wärmepumpen (Bestand/schlecht gedämmt): Eher Tendenz zu Modul 2, da das Verschiebepotenzial an kalten Tagen gering ist und das Volumen (kWh) dominiert.
    • Hybrid-Systeme (PV + Speicher + WP + BEV): Hier ist eine individuelle Simulation notwendig. Oftmals ist Modul 1 + 3 vorteilhaft, da der Speicher genutzt werden kann, um teure HT-Phasen zu überbrücken.

Fazit

Die ökonomische Analyse zeigt, dass die starre Grenze zwischen „Wenig-Verbrauchern“ (Modul 1) und „Viel-Verbrauchern“ (Modul 2) durch die Einführung des Moduls 3 aufgeweicht wird. Die zeitvariable Komponente belohnt Flexibilität stärker als reines Volumen. Für die Gesamtwirtschaftlichkeit ist nicht mehr allein die Menge der bezogenen Energie ausschlaggebend, sondern die Fähigkeit der SteuVE, intelligent auf Preissignale zu reagieren.

Der Gesetzgeber und die Bundesnetzagentur haben mit diesem Baukasten ein System geschaffen, das die Digitalisierung der Energiewende forciert. Für den Endkunden bedeutet dies: Wer automatisiert, spart doppelt – durch die Pauschale und durch intelligente Lastverschiebung. Für Energieversorger bedeutet es den Eintritt in eine neue Ära der Tarifgestaltung, die zwar Implementierungsaufwand bedeutet, aber essenziell für die Netzstabilität der Zukunft ist.


Quellenverzeichnis

[^1]: BET Consulting. (2025). Zeitvariable und dynamische Tarife: Eine neue Ära für Energieversorger ab 2025. (Webmagazin Artikel vom 21.11.2025). Ab dem 1. Januar 2025 sind Energieversorger verpflichtet, zeitvariable oder dynamische Tarife einzuführen. Dies ist ein innovativer Ansatz zur Integration flexibler Lasten.

[^2]: Bundesnetzagentur. (2023). Festlegung zur Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a EnWG. (BK6-22-300). Beschlusskammer 6. Grundlegende regulatorische Festlegung der Module 1, 2 und 3 sowie der technischen Rahmenbedingungen für die Dimmung im Netzengpass.

[^3]: Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). (2024). § 14a Netzanschluss und Netzzugang; steuerbare Verbrauchseinrichtungen. Gesetzliche Grundlage für die Verpflichtung der Netzbetreiber zur netzdienlichen Steuerung und die Gewährung reduzierter Netzentgelte als Gegenleistung.