Kostenverursachungsgerechtigkeit: Eine neue Perspektive
Kostenverursachungsgerechtigkeit: Eine neue Perspektive
Die Bedeutung und Umsetzung des Prinzips der Kostenverursachungsgerechtigkeit in der AgNeS-Reform.
Einleitung: Die Notwendigkeit einer Neuinterpretation
Die deutsche Energiewirtschaft steht im Jahr 2025 an einem entscheidenden Wendepunkt. Die fortschreitende Transformation hin zu einem dezentralen, erneuerbaren Energiesystem stellt das bestehende Regulierungsrahmenwerk vor fundamentale Herausforderungen. Insbesondere die Systematik der Netzentgelte, die seit Jahrzehnten die Kosten der Stromnetzinfrastruktur auf die Netznutzer umlegt, bedarf einer umfassenden Neuausrichtung. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat im Mai 2025 mit der Veröffentlichung eines Diskussionspapiers zur Reform der allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom (AgNeS) einen Prozess angestoßen, der genau diese Neugestaltung zum Ziel hat [^1]. Im Zentrum dieser Reform steht die Forderung nach einer erhöhten Kostenverursachungsgerechtigkeit – ein Prinzip, das angesichts der tiefgreifenden strukturellen Veränderungen im Stromsystem eine neue Perspektive und Implementierung erfordert. Dieses Kapitel beleuchtet die Bedeutung und die Umsetzung dieses Prinzips im Rahmen der AgNeS-Reform, analysiert die angestrebten Reformziele und diskutiert die potenziellen Auswirkungen auf die Netzentgelte sowie die involvierten Akteure.
1. Das etablierte Verständnis der Kostenverursachung und seine Grenzen
1.1 Traditionelle Netzentgeltsystematik
Historisch basierte die Netzentgeltsystematik in Deutschland primär auf einem verbrauchsabhängigen Ansatz. Die Kosten für den Bau, den Betrieb und die Instandhaltung der Stromnetze wurden überwiegend über Entgelte finanziert, die von den Stromabnehmern entsprechend ihres Verbrauchs entrichtet wurden. Dieses Modell war in einer zentralisierten Energieversorgungslandschaft, geprägt von wenigen Großkraftwerken und einer unidirektionalen Stromflussrichtung vom Erzeuger zum Verbraucher, funktional und weitgehend als verursachungsgerecht angesehen. Die Netzbetreiber investierten in Kapazitäten, um die maximale Last der Verbraucher zu decken, und die Kosten wurden auf diese Lastspitzen und den gesamten Energiebezug umgelegt.
1.2 Herausforderungen durch die Energiewende
Die rasante Entwicklung der erneuerbaren Energien (EE), insbesondere Windkraft und Photovoltaik, hat dieses traditionelle Paradigma grundlegend verändert. Die Energiewende führt zu einer zunehmenden Dezentralisierung der Stromerzeugung, einer verstärkten Fluktuation der Einspeisung und der Entstehung von Prosumern – Verbrauchern, die gleichzeitig Strom erzeugen und ins Netz einspeisen [^2]. Diese Entwicklungen haben weitreichende Konsequenzen für die Stromnetze:
- Netzausbau und -verstärkung: Um die zunehmende Menge an dezentral erzeugtem Strom aufzunehmen und über weite Strecken (z.B. von windreichen Regionen im Norden zu industriellen Zentren im Süden) zu transportieren, sind massive Investitionen in den Netzausbau und die Netzverstärkung erforderlich [^2].
- Engpassmanagement (Redispatch): Die volatile Einspeisung von EE-Anlagen führt zu häufigeren Engpässen im Netz. Netzbetreiber müssen kostenintensive Maßnahmen wie Redispatch und Countertrading ergreifen, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Die Kosten für das Engpassmanagement in Deutschland beliefen sich 2023 auf über 3 Milliarden Euro [^2].
- Sektorenkopplung: Die Integration von Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge (§14a EnWG) führt zu neuen, oft zeitlich konzentrierten Lasten, die das Netz zusätzlich beanspruchen. Dies erfordert nicht nur Investitionen in die lokale Netzinfrastruktur, sondern auch eine intelligente Steuerung, um Netzüberlastungen zu vermeiden (vgl. [[Zeitvariable Netzentgelte ab April 2025]] in Kapitel 5, Seite 5).
Die bestehende Netzentgeltsystematik bildet diese neuen Kostenursachen nur unzureichend ab. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die grundlegende Diskrepanz, dass Einspeiser in Deutschland bislang keine Netzentgelte zahlen, obwohl ihre Einspeisung ein wesentlicher Treiber für Netzausbau und -kosten ist [^2]. Diese "Fehlanpassung führt zu einer ineffizienten Netznutzung und verzerrten Investitionssignalen" [^2]. Das Prinzip der Kostenverursachungsgerechtigkeit in seiner alten Auslegung stößt somit an seine Grenzen und muss neu definiert werden.
2. Die AgNeS-Reform: Ein Paradigmenwechsel zu mehr Kostenverursachungsgerechtigkeit
2.1 Ziele der AgNeS-Reform
Vor dem Hintergrund der skizzierten Herausforderungen hat die Bundesnetzagentur die AgNeS-Reform initiiert. Die Kernziele der umfassenden Neugestaltung des bestehenden Netzentgeltsystems sind: Transparenz, Vereinfachung und vor allem mehr Kostenverursachungsgerechtigkeit [^1], [^3]. Die Reform soll neue Anreize für netzdienliches Verhalten schaffen, bestehende Fehlanreize korrigieren und strukturelle Ungleichgewichte bei den Netzentgelten adressieren [^1]. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Anpassung an europäisches Recht. Nachdem der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, dass die bisherige normative Regulierung auf Grundlage von Rechtsverordnungen gegen die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinien verstößt, muss die BNetzA ab 2029 den Regulierungsrahmen durch neue Festlegungen ersetzen [^2]. Die AgNeS-Reform bietet hier die Gelegenheit, die Netzentgeltsystematik an die neuen Gegebenheiten anzupassen und zukunftsfähig zu gestalten.
2.2 Das Diskussionspapier der BNetzA als Wegbereiter
Das im Mai 2025 veröffentlichte Diskussionspapier der BNetzA zur AgNeS-Reform stellt kritische Fragen zur zukünftigen Netzentgeltsystematik [^2]. Es dient als Grundlage für eine breite Konsultation und könnte zu einer vollständigen Neugestaltung der Netzentgeltbildung führen (vgl. [[Grundlagen der AgNeS-Reform: Ziele und Diskussionspapier]] in Kapitel 2, Seite 1). Die BNetzA stellt im Rahmen des Konsultationsverfahrens fünf Hauptfragen, die direkt die Kostenverursachungsgerechtigkeit betreffen [^2]:
- Sollen sich auch Einspeiser an der Finanzierung der Netzkosten beteiligen?
- Mit welchen Netzentgeltkomponenten soll die Netznutzung abgerechnet werden?
- Soll es regional und zeitlich differenzierte dynamische Netzentgelte geben?
- Sollen die Entgelte über die lokalen Verteilernetze hinweg vereinheitlicht werden?
- Wie soll das zukünftige Entgeltregime für Speicher aussehen?
Diese Fragestellungen verdeutlichen den Fokus der BNetzA auf eine Systematik, die die tatsächlichen Kostenursachen im Netz besser abbildet und somit die Effizienz des Gesamtsystems steigert.
3. Kernsäulen der Kostenverursachungsgerechtigkeit in AgNeS
Die Umsetzung einer erhöhten Kostenverursachungsgerechtigkeit in der AgNeS-Reform basiert auf mehreren Kernsäulen, die die neuen Realitäten der Energiewende reflektieren.
3.1 Die Beteiligung von Einspeisern an den Netzkosten
Die Frage, ob Einspeiser an der Finanzierung der Netzkosten beteiligt werden sollen, ist eine der zentralen und brisantesten Diskussionspunkte der AgNeS-Reform [^2]. Bislang zahlen Stromerzeuger in Deutschland keine Netzentgelte für die Einspeisung, im Gegensatz zum Gassektor oder zu anderen europäischen Ländern [^2]. Diese Ausnahmeregelung diente in der Vergangenheit dazu, den Ausbau der erneuerbaren Energien finanziell zu fördern. Angesichts der Tatsache, dass der Ausbau der EE-Erzeugung ein "wesentlicher Treiber der Kosten im Netz" ist und die fluktuierenden EE-Einspeiseprofile zu zusätzlichen Systemkosten führen (z.B. Engpassmanagement, Netzausbau), sieht die BNetzA in Einspeiseentgelten ein geeignetes Instrument, um die Kostenreflexivität und Anreize für netzdienliches Verhalten zu verbessern [^2].
Die BNetzA prüft verschiedene Ausgestaltungsvarianten für Einspeiseentgelte [^2]:
- Anschlusskapazität: Entgelte basierend auf der im Voraus gebuchten Netzanschlusskapazität der Erzeuger.
- Eingespeiste Strommenge: Ein Arbeitspreis je eingespeister Megawattstunde.
- Eingespeiste Höchstlast: Entgelte orientiert an der vom Einspeiser verursachten Höchstlast.
- Pauschalbetrag pro Netzanschluss oder Anschlussgebühr: Insbesondere für neue Anlagen.
Für eine effiziente Anreizwirkung sind insbesondere standortabhängige sowie an Einspeisespitzen geknüpfte Entgelte von Bedeutung. Diese können klare Signale setzen, indem sie dort oder dann steigen, wenn das Netz besonders belastet ist [^2]. Dies würde Erzeuger dazu veranlassen, ihre Einspeisung räumlich oder zeitlich zu verlagern, Netzüberlastungen zu verringern und somit kostspielige Redispatch-Maßnahmen und zusätzlichen Netzausbau zu reduzieren. Eine solche Internalisierung der durch die Einspeisung verursachten Systemkosten kann langfristig zu geringeren Gesamtnetzkosten und damit auch zu einer Dämpfung der Netzentgelte führen [^2]. Die Diskussion um die Beteiligung von Einspeisern ist eng verknüpft mit der Seite [[Beteiligung von Einspeisern an Netzkosten]] (Kapitel 2, Seite 4).
3.2 Zeitlich und regional differenzierte Netzentgelte
Ein weiterer zentraler Pfeiler der Kostenverursachungsgerechtigkeit ist die Einführung regional und zeitlich differenzierter dynamischer Netzentgelte [^2]. Das Prinzip dahinter ist, dass die Kosten für die Netznutzung nicht überall und zu jeder Zeit gleich sind. Engpässe, die Notwendigkeit von Redispatch-Maßnahmen und die allgemeine Auslastung des Netzes variieren stark je nach geografischer Lage und Tages- oder Jahreszeit.
Durch die Einführung solcher differenzierter Entgelte können klare Preissignale an die Netznutzer gesendet werden. Verbraucher und Erzeuger erhalten Anreize, ihren Strombezug oder ihre Einspeisung in Zeiten geringer Netzauslastung oder in Regionen mit freien Kapazitäten zu optimieren. Dies fördert ein netzdienliches Verhalten, das die Netzstabilität unterstützt und den Bedarf an teurem Netzausbau oder Engpassmanagement reduziert. Die BNetzA erwartet, dass dies zu einer effizienteren Nutzung der bestehenden Infrastruktur führt und somit die Gesamtnetzkosten senkt [^2]. Die Umsetzung zeitvariabler Netzentgelte wird bereits im Rahmen des §14a EnWG für steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur ab April 2025 forciert (vgl. [[Zeitvariable Netzentgelte ab April 2025]] in Kapitel 5, Seite 5). Die AgNeS-Reform beabsichtigt, dieses Prinzip auf die gesamte Netzentgeltsystematik auszuweiten und somit eine umfassendere Wirkung zu erzielen (vgl. [[Regionale und zeitlich differenzierte dynamische Netzentgelte]] in Kapitel 2, Seite 6).
3.3 Netzentgeltkomponenten und deren Abrechnung
Die AgNeS-Reform hinterfragt auch die bisherigen Netzentgeltkomponenten und deren Abrechnung (vgl. [[Netzentgeltkomponenten: Abrechnung der Netznutzung]] in Kapitel 2, Seite 5). Es wird diskutiert, mit welchen Komponenten die Netznutzung zukünftig abgerechnet werden soll, um eine verbesserte Kostenreflexivität zu gewährleisten. Dies könnte eine stärkere Gewichtung von Leistungskomponenten gegenüber Arbeitspreisen bedeuten oder die Einführung neuer Komponenten, die spezifische Kostenursachen wie die Bereitstellung von Flexibilität oder die Nutzung von bestimmten Netzdienstleistungen abbilden. Das Ziel ist es, Tarife zu schaffen, die die tatsächlichen Kosten für die Erbringung einer Dienstleistung präzise widerspiegeln und dadurch wirtschaftliche Entscheidungen in Richtung eines gesellschaftlich optimalen Ergebnisses lenken [^2]. Gut konzipierte Tarife können effiziente Erzeugungs-, Verbrauchs- und Investitionsmuster fördern und somit die Gesamtnetzkosten senken.
4. Herausforderungen und Wechselwirkungen der AgNeS-Reform
Obwohl die AgNeS-Reform das Potenzial birgt, das Netzentgeltsystem effizienter und gerechter zu gestalten, sind mit ihrer Umsetzung auch erhebliche Herausforderungen und komplexe Wechselwirkungen verbunden.
4.1 Pass-on-Effekte und die Last der Endverbraucher
Eine zentrale Frage ist, inwieweit neu eingeführte Einspeiseentgelte von den Stromerzeugern über höhere Stromgroßhandelspreise an die Endverbraucher weitergereicht werden (sogenannte Pass-on-Effekte) [^2]. In wettbewerbsorientierten Strommärkten ist zu erwarten, dass Erzeuger versuchen, zusätzliche Kosten zu decken, um ihre Kapitalrenditen zu sichern. Das Ausmaß des Pass-on hängt von verschiedenen Faktoren ab [^2]:
- Tarifstruktur: Feste Bestandteile lassen sich schwerer weiterreichen als variable.
- Marktstruktur und -macht: Unternehmen mit Marktmacht können Preis und Menge optimieren und möglicherweise Kosten auffangen.
- Internationaler Wettbewerb: Importstrom ohne vergleichbare Einspeiseentgelte kann den Pass-on begrenzen.
- Vertragliche Verpflichtungen: Kurzfristige Festpreisverträge können die Weitergabe verzögern.
Die BNetzA argumentiert zwar, dass eine Einbeziehung der Einspeiser die direkten Kosten für die Verbraucher senken kann, jedoch ist zu erwarten, dass zumindest ein Teil der zusätzlichen Kosten für Erzeuger weitergegeben wird, sodass letztlich die Verbraucher weiterhin einen Großteil der Netzkosten tragen [^2]. Dies erfordert eine sorgfältige Bewertung unter dem Aspekt der Effizienz und der sozialen Fairness, insbesondere im Hinblick auf potenzielle Verteilungseffekte durch regional differenzierte Entgelte, die einkommensschwache Endverbraucher stärker treffen könnten [^2].
4.2 Die Interdependenz mit staatlichen Beihilfen
Die Einführung von Einspeiseentgelten kann auch die Bemessungsgrundlage staatlicher Beihilfen für erneuerbare Energien (z.B. nach dem EEG) verändern und somit die Belastung des Bundeshaushalts beeinflussen [^2]. Einspeiseentgelte erhöhen die Betriebskosten der Erzeuger. Dies könnte, ceteris paribus, die "Finanzierungslücke" für EE-Projekte vergrößern und somit höhere Beihilfen erforderlich machen. Umgekehrt könnten steigende Großhandelspreise durch den Pass-on-Effekt diese Lücke auch wieder verringern. Die Bestimmung des Nettoeffekts ist komplex und bedarf einer sorgfältigen wirtschaftlichen Analyse [^2].
Sollte der Staat einen beträchtlichen Teil der zusätzlichen Kosten kompensieren, könnte dies den Anreiz für die Erzeuger, die Netzentgelte an die Verbraucher weiterzugeben, senken. Gleichzeitig kann dies den intendierten Kostenanreizeffekt der Einspeiseentgelte abschwächen und zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen subventionierten und nicht-subventionierten Erzeugern führen [^2]. Eine umfassende ökonomische und juristische Analyse der Wechselwirkung zwischen Einspeiseentgelten und staatlichen Beihilfen ist daher unerlässlich [^2].
4.3 Besitzstandswahrung und Investitionssicherheit
Die Einführung neuer Netzentgelte, insbesondere für Bestandsanlagen, birgt Risiken für die Besitzstandswahrung und die Investitionssicherheit [^2]. Bestehende Erzeugungsanlagen wurden auf Grundlage des bisherigen Regulierungsrahmens geplant, finanziert und errichtet. Eine abrupte Belastung mit neuen Netzentgelten könnte ihre Wirtschaftlichkeit erheblich beeinträchtigen und das Vertrauen in künftige Investitionen schwächen [^2].
Ein strukturierter Übergang mit Bestandsschutz oder einer schrittweisen Einführung von Einspeiseentgelten für bestehende Anlagen ist daher unerlässlich [^2]. Mögliche Elemente eines solchen Übergangs umfassen:
- Klare Übergangsfristen: Frühzeitige und transparente Kommunikation, die Betreibern ausreichend Zeit für Anpassungen gibt.
- Stufenweise Einführung: Allmähliche Erhöhung der Entgelte über einen bestimmten Zeitraum.
- Differenzierte Besitzstandsregelung: Längere Übergangsfristen für ältere Anlagen.
- Kapazitäts- oder Auslastungsschwellen: Schutz kleinerer oder gering ausgelasteter Anlagen.
Diese Maßnahmen sind entscheidend, um regulatorische Stabilität, Investitionssicherheit und das Fairnessgebot zu wahren und somit die Akzeptanz der neuen Tarifstruktur zu erleichtern (vgl. [[Herausforderungen und Chancen der AgNeS-Reform]] in Kapitel 2, Seite 8).
Schlussbetrachtung: Ein Weg zu einem zukunftsfähigen Netzentgeltsystem
Die AgNeS-Reform und die damit verbundene Neuausrichtung des Prinzips der Kostenverursachungsgerechtigkeit sind ein unverzichtbarer Schritt für die Transformation der deutschen Energiewirtschaft. Das traditionelle, verbrauchsbasierte Netzentgeltsystem ist den Anforderungen eines dezentralen, fluktuierenden und von Sektorenkopplung geprägten Energiesystems nicht mehr gewachsen. Die angestrebte Einbeziehung von Einspeisern in die Netzkostenfinanzierung, die Einführung regional und zeitlich differenzierter Entgelte sowie die Anpassung der Netzentgeltkomponenten sind logische Konsequenzen aus der Analyse der tatsächlichen Kostenursachen im modernen Stromnetz.
Das Potenzial der Reform liegt in der Schaffung effizienterer Anreize für netzdienliches Verhalten, der Optimierung der Netznutzung und der langfristigen Dämpfung der Gesamtnetzkosten. Gleichwohl müssen die komplexen Wechselwirkungen, insbesondere die Pass-on-Effekte auf die Endverbraucher, die Interdependenz mit staatlichen Beihilfen und die Notwendigkeit der Besitzstandswahrung, sorgfältig gemanagt werden. Eine transparente Kommunikation, eine fundierte ökonomische Analyse und ein sensibler Umgang mit Übergangsregelungen sind entscheidend, um die Akzeptanz der Reform zu sichern und unbeabsichtigte negative Folgen zu vermeiden. Die AgNeS-Reform ist somit ein Balanceakt zwischen Effizienz, Fairness und Investitionssicherheit – ein essenzieller Baustein auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen und resilienten Energiesystem in Deutschland bis 2025 und darüber hinaus.
Quellenverzeichnis
[^1]: Industrie- und Handelskammer. (2025, Mai 12). BNetzA Konsultation zu Netzentgelten. IHK Nordschwarzwald. Verfügbar unter: https://www.ihk.de/nordschwarzwald/innovationn/umweltschutz-umwelt-akademie/energie-und-klimaschutz/news-energie-ressourcen-klimaschutz/bnetza-konsultation-zu-netzentgelten-6561304
[^2]: Oxera. (2025, Juli 11). Reform der deutschen Stromnetzentgeltsystematik: Sollen Einspeiser Netzentgelte zahlen?. Verfügbar unter: https://www.oxera.com/de/insights/agenda/articles/reform-der-deutschen-stromnetzentgeltsystematik-sollen-einspeiser-netzentgelte-zahlen/
[^3]: Bundesnetzagentur. (2025, Juni 18). Konsultationen zu Festlegungsentwürfen zum zukünftigen Regulierungsrahmen sowie zu den Strom- und Gas-Netzentgeltfestlegungen starten. Pressemitteilung. Verfügbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/20250618_RahmenNest.html
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